Illustration einer Stadt, die urbane Szenen und Trendbegriffe aufgreift wie Coworking Space und Healing Architecture.

VIELEN DANK FÜR DIE BLUMEN.

FLORALE KUNST MIT RUBY BARBER.

Die Künstlerin Ruby Barber kreiert aus Pflanzen Welten, die bezaubernd surreal wirken. Nun hat sie ein MINI Cabrio in ein florales Kunstwerk verwandelt.
Ruby Barber

Ein Cabrio kann sehr praktisch sein, wenn man Pflanzenblätter groß wie Elefantenohren transportieren muss. Das ist zugegebenermaßen ein Alltagsproblem, das sich den meisten Menschen eher selten stellt. Ist man allerdings Ruby Barber – also eine der gefragtesten Pflan- zenkünstlerinnen der Welt, die zum Beispiel im Pariser Grand Palais Blumenarrangements wie Stalaktiten von der Decke herabfließen lässt – dann sieht man sich hin und wieder vor Herausforderungen gestellt, die mit einem offenen Auto leichter zu bewältigen sind.

 

An diesem Morgen sind es die Riesenblätter der Alocasia gageana, die im Zusammenspiel mit Orchideen und Rosen die Elemente für das Cover-Kunstwerk des „MINI Insider“ bilden sollen und nun unversehrt aus Barbers Berliner Atelier ins Fotostudio gelangen müssen. Die Orchideen akklimatisieren sich dort schon seit ein paar Tagen. Die Rosen wiederum kommen direkt aus der Wohnung der 34-Jährigen, wo sie auf den Punkt reifen konnten und nun exakt so blühen, wie es die gebürtige Australierin geplant hat. „Viele glauben ja, dass ich den ganzen Tag mit Blumen spiele“, sagt Barber. „Die Wahrheit ist: 90 Prozent meiner Arbeit bestehen daraus, in Erde zu wühlen, schwere Eimer herumzuschleppen, zu berechnen, wann welches Gewächs im perfekten Zustand ist – und herauszubekommen, wie ich es beschaffen kann. Ich liebe es aber auch, mit dem Auto unterwegs zu sein, jede Landpartie bringt mich auf neue Ideen. Und dabei offen zu fahren ist einzigartig, weil es einen mit der Natur verbindet.“

Flowerart
Illustration, die die Trendbegriffe Metropole, Megacity und Global City anhand einer Weltkugel, Personen und Hochhäusern symbolisiert.

Für das Cabrio-Kunstwerk formt Barber auf dem Heck des MINI Cooper S zunächst einen opulent aufwuchernden Dschungel aus Amaranth, Trauben und Blattwerk, dem sie dann wie eine Bildhauerin mit genau gesetzten Akzenten Bewegung und Drama einhaucht. Und das in einer Detailfülle, in der sich der Betrachter minutenlang verlieren kann. Was das Ganze zusammenhält? Schlichter Hasendraht zum Beispiel, mit dem sich auch komplexere Pflanzenkaskaden erschaffen lassen. Immer wieder checkt Barber auf ihrem Smartphone-Screen die Stimmigkeit und Fototauglichkeit ihrer Komposition, arrangiert hier eine Rebe, zupft dort ein paar Blüten zurecht, bis Blumen und Früchte scheinbar ein Eigenleben entwickeln. Und nicht länger Biomasse sind, sondern eine Art ungebändigtes Wesen, das aus sich heraus erst den MINI und dann den übrigen Raum zu erobern beginnt.
Wie bei vielen ihrer Arbeiten erlaubt die Blumenkünstlerin der Natur, sich Bahn zu brechen. In Barbers Schöpfungen schlängeln sich die Gewächse durch Räume, um Ecken, die Wände hinauf, scheinen die Erdanziehungskraft zu verspotten, nur um sich dann doch von ihr zähmen und zu lebenden Wolken verdichten zu lassen – und damit zu etwas dramatisch Schönem zu werden. Es ist eine Art Alte-Welt-Romantik, die an niederländische Stillleben des 17. Jahrhunderts erinnert. Und wie in diesen Gemälden liegt auch in Barbers Werken eine Mahnung an die Vergänglichkeit. 

Illustration, die den Trendbegriff Healing Architecture darstellt. Zu sehen ist unter anderem der Blick ins Grüne aus einer Gesundheitseinrichtung.

Wer Barbers Biografie studiert, kann sich ihren kunstfertigen Umgang mit der Natur leicht erklären: geboren in Sydney; Mutter Galeristin, Vater Still-Life-Fotograf – Menschen mit Sinn und Augen für Texturen, Form und Farben. Aufgewachsen in einem Haus voller Kunst und Designobjekte. Rubys Lieblingsbuch „Der geheime Garten“, in dem die Hauptfigur Mary Lennox einen verwilderten Garten mit viel Zuwendung wieder zum Leben erweckt. Und der fortan nicht nur sie, sondern auch jeden anderen verzaubert, der ihn erblickt.

„Die heilende Kraft der Natur, die darin steckt – das ist etwas, wovon ich überzeugt bin“, sagt Barber. „Und ich mochte Mary sofort. Sie ist anfangs etwas griesgrämig, aber der Garten hilft ihr, zu sich selbst zu finden. Als ich in der Grundschule war, wurde ich jedes Jahr in der Buchwoche selbst zu Mary, abends hörte ich ihre Geschichte vorm Einschlafen. Viel später, als mein Vater in Sydney sein Studio an der Ecke Mary und Lennox Street bezog und ich nach einem Namen für meine Selbstständigkeit suchte, fiel mir all das wieder ein.“ Studio Mary Lennox war geboren, bis heute Barbers Markenzeichen.

Barber studierte zu jener Zeit noch Architektur und Interior Design in Sydney – und kaufte nur aus Spaß freitags auf den Flemington Markets exotische Blumen, Zweige und Gräser, um sie in Sträuße für Freunde und Familienmitglieder zu verwandeln. Aus dem Hobby wurde ein Blumenlieferservice, schließlich hospitierte und lernte sie bei Floristen in Sydney, dann in New York. Weil der Mann, mit dem sie seit ihrer Jugend zusammen und mittlerweile auch verheiratet ist, in Australien aufwuchs, aber aus Deutschland stammt, verschlug es das Paar 2012 nach Berlin. Hier begann Barber ohne Kontakte oder gar einen Businessplan erneut, Bouquets zu verschenken – diesmal an Menschen, die sie interessant und bewundernswert fand. Bald fing sie an, ihre Kreationen im „The Store“ des Soho House zu verkaufen. 2014 folgte der erste größere Auftrag: ein Arrangement für die Berliner Zentrale eines großen Automobilherstellers.

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Illustration, die den Trendbegriff Smart City darstellt, unter anderem anhand der Darstellung eines Smartphones.

Inzwischen zählt ihr Team sieben feste Mitglieder und überall auf der Welt freie Mitarbeiter, und Barber ist regelmäßig unterwegs, um ihre berühmten Blumenwolken zum Beispiel in Venedigs Kunst-Hotel St. Regis zu drapieren oder einen Irrgarten aus Rosen für die Milan Design Week zu pflanzen. Sie hat knapp 200.000 Follower auf Instagram – und so ist es vor allem dem Internet zu verdanken, dass ihre Schöpfungen ein Nachleben haben, selbst wenn sie längst auf dem Kompost gelandet sind.

Die Arbeitsweise ihrer Anfangstage hat sich Barber dabei bis heute bewahrt: Zeichnungen oder Pläne für ein Projekt macht sie nur, wenn ein Kunde darauf besteht. Ansonsten lässt sie sich von Augen, Nase und ihrem Bauchgefühl leiten, wenn sie über den Großmarkt streift, durch einen Wald oder durch das verwachsen-verwunschene 100 Jahre alte Gewächshaus eines Bauern. Es inspiriert sie, eine Pflanze in ihrem natürlichen Umfeld zu sehen – ohnehin schneidet sie das Material für ihre Arbeiten am liebsten selbst. Dafür reist sie durch ganz Europa und pflegt eine Kartei mit den besten Quellen und Produzenten für ihre Zwecke. Darin hält sie etwa fest, an welchen mallorquinischen Feldwegen man im Spätsommer Palmwedel findet, die die Sonne goldfarben getrocknet hat, wo in Brandenburg die üppigsten Brombeersträucher wachsen oder in welchen italienischen Zitronenhainen sie perfekte Früchte findet. Oder sie fährt durch die Niederlande, um Gartenrosen aufzuspüren, die so intensiv duften, dass man paradoxerweise meint, sie müssten parfümiert sein.

Mary Lennox

Je digitaler die Welt wird, desto stärker scheint unser aller Bedürfnis nach Natur zu werden. Danach, Kräuter zwischen den Fingern zu zerreiben und daran zu schnuppern. Selbst Tomaten anzubauen. Aufs Land zu fahren, in einen See zu springen und von einem Sommergewitter überrascht zu werden. Natur ist nicht nur schön, erst recht nicht perfekt, es ist vergängliches Leben. Und dieses Leben ist es, was Barber den Kampagnen von Marken wie Versace, Gucci oder Hermès mit ihrer Kunst erst einhaucht. Deshalb verwendet sie Blätter, die von Insekten angeknabbert wurden, Blüten, die vom Regen fleckig sind, oder stellt Blattwerk oder Stiele in den Fokus, nicht aber die Blumen selbst.

Nur bei der Blumenvirtuosin zu Hause, da blüht: nichts. In der Küche steht ein einsamer Kaktus, er ist mager und verholzt, doch ihr Mann bestehe drauf, so Barber: Solange Leben in der Stachelpflanze ist, darf sie nicht auf den Kompost. Die Rosen auf dem langen Esstisch stehen nur für unser Fotoshooting hier. Dabei wäre die großbürgerliche Jugendstilwohnung in Schöneberg mit ihren dreieinhalb Meter hohen Decken wie gemacht für Barbers Blumenwolken. Auch Vasen gibt es genug. 20 Stück stehen auf dem Tisch, rund 15 weitere in einem Regal, dessen übriger Inhalt sich ebenfalls um nichts als die Pflanzenwelt dreht: das Standardwerk „The Art of Making Gardens“ des Landschaftsdesigners Luciano Giubbilei zum Beispiel. Bücher von Piet Oudolf, der die New Yorker High Line von der Bahntrasse in einen Park verwandelt hat und dessen nachhaltige Landschaften selbst in urbanem Umfeld wild und ungezähmt scheinen. Oder ein Bildband über all die Blumenkünstler, die seit einigen Jahren den Ton angeben. Auch Barber ist darin vertreten, mit einem Stillleben, das fast zu saftig ist, um wirklich zu sein. Doch wie kann man mit tellergroßen Dahlien arbeiten, mit Rosen oder Orchideen in so ausgefallenen Farben, dass Normalsterbliche sie nie im Handel finden werden – aber in den eigenen vier Wänden nichts von alldem sehen wollen? „Hier würde zu viel von ihnen ablenken“, sagt Barber knapp, „Blumen brauchen einfach einen weißen Raum.“

Flowerart

Trotz ihres Erfolgs betrachtet die Australierin ihre Arbeit mit Bescheidenheit. „Mein Job ist es, die Schönheit der Natur in ihrem besten Licht zu zeigen. Die Natur ist der Künstler, ich bin lediglich ihre Vermittlerin. Ich würde mir wünschen, dass wir verstehen, dass Mensch, Tiere und Pflanzen gleichwertige Teile eines Ökosystems sind und im Einklang leben müssen. Egal wie prächtig und extravagant, eine Blume besitzt immer auch Demut. Davon könnten wir Menschen etwas mehr gebrauchen.“ Vielleicht ist diese Haltung der Grund, warum Ruby Barber so oft in XXL arbeitet: Die Opulenz ihrer Arbeiten, der Überfluss an natürlicher Schönheit, die man von ihr vor Augen geführt bekommt, verweisen uns Menschen auf unseren Platz.